Die Justiz der islamischen Republik, ein Gemisch aus Korruption und Verbrechen
Seit 1994 bezeichnet die islamische Republik die letzte Juniwoche als Woche der Justiz. Wir wollen die Gelegenheiten nutzen und uns in diesem Zusammenhang einige Ereignisse der letzten Tage genauer anschauen.
Am 21. Juni wurde Sepideh Gholian, die wegen Teilnahme an den Arbeiterprotesten aus Haft Tapeh angeklagt wurde, ins Evin- Gefängnis gebracht, um dort ihre 5-jährige Haftstrafe abzusitzen. Am 22. Juni wurde Siavash Norouzi, ein Student der Universität Shiraz, zu 5 Jahren Haft und 74 Peitschenhieben verurteilt, weil er an den Gedenkfeiern für die Opfer der im Januar abgeschossenen ukrainischen Passagiermaschine teilgenommen hatte.
Darüber hinaus gab es in dieser Woche der Justiz viele weitere Neuigkeiten , die wir kurz aufzählen wollen:
- „Die Rechtsanwältin Payam Darafshan bleibt weiterhin in Haft und es gibt keine genauen Informationen darüber, wo sie festgehalten wird.“
- Die Amtsperiode von Javid Rahman, UN-Sonderberichterstatter im Iran wurde verlängert.
- 42 Arbeiter*Innen der Fa. Azar Ab in Arak – weil sie im Jahre 2019 an einem Streik teilgenommen hatten- wurden zu jeweils einem Jahr Haft, 74 Peitschenhieben und einem Monat unentgeltliche Arbeit bei der Gemeinde verurteilt. Diese Nachricht wurde später dementiert.
- Der oberste Gerichtshof hat das Todesurteil für drei junge Männer (Mohammad Rajabi, Amir Hossein Moradi und Saied Tamjidi) bestätigt, die sich an den Protesten im November 2019 beteiligt hatten.
- Die Nachricht über die Hinrichtung von Hedayat Abdolpour nach fünf Monaten Haft ohne Benachrichtigung seiner Familie und Rechtsanwalt wurde bestätigt.
- Reporter ohne Grenzen haben von „neuen Unterdrückungsmethoden der islamischen Republik“ berichtet und es verurteilt. Journalisten, Künstler und andere Aktivistinnen und Aktivisten werden unter Druck gesetzt, damit sie sich von ihrer bisherigen Kritik an der islamischen Republik distanzieren und Reue zeigen.
- Chef der Justiz in Isfahan gab bekannt, dass 8 Protestierende von November 2019 zum Tode verurteilt wurden.
- Die Staatsanwaltschaft von Shahin Shahr und Meymeh gaben bekannt, dass es Todesurteile und Haftstrafen für die bei den Protesten im November 2019 Festgenommenen gibt. Es gab keine detaillierten Informationen über die Betroffenen.
So ging die sog. Woche der Justiz zu Ende. Das hinderte jedoch den Justizchef Ebrahim Raisi nicht daran, auf einer Justiztagung zu verkünden: „Die Rufe der Menschen nach Gerechtigkeit und ihren Rechten müssen positiv beantwortet werden.“
Ein Blick auf die erwähnten Ereignisse zeigt uns, was diese Aussage eigentlich bedeutet. Die „Antwort“ auf die „Rufe der Menschen nach Gerechtigkeit und ihren Rechten“ ist dieselbe Antwort wie in den vergangenen 41 Jahren.
Das wird an dem Verfahren gegen die protestierenden Arbeiterinnen und Arbeiter von Haft Tapeh nachvollziehbar. Noch im November 2019 hatte der Justizchef Raisi ein „Revisionsverfahren und ein faires Verfahren“ versprochen. Laut Rechtsanwälte gab es keine einzige Sitzung, um die Arbeiterinnen und Arbeiter von Haft Tapeh sowie Sepideh Gholian anzuhören. Der Slogan „Brot, Arbeit, Freiheit“ wurde zu ihrer Straftat erklärt. Genau deshalb hat die Gewerkschaft von Haft Tapeh das Verfahren als „Ausdruck des Hasses und Zorns der herrschenden Klasse eines religiösen kapitalistischen Regimes gegen Millionen Arbeiterinnen und Arbeiter und Werktätige“ bezeichnet.
Seit die islamische Republik im Iran an der Macht ist, ist die Justiz ein Teil des diktatorischen Systems und das Unterdrückungsinstrument des religiösen Regimes gewesen.
Je nach Situation übt die Justiz der islamischen Republik ihre Verbrechen entweder öffentlich oder schweigt darüber. Im vergangenen November gab es neben mindestens 1500 ermordeten Protestierenden mehr als 8000 Festnahmen. Als im Januar das ukrainische Passagierflugzeug durch die Revolutionsgarden abgeschossen wurde, gingen die Menschen im Iran trotz der brutalen Unterdrückung im November erneut auf die Straßen, um u.a. gegen die Vertuschung dieses Verbrechens, das 176 Menschen das Leben kostete, zu protestieren.
Erneut wurden Tausende festgenommen. Das ging so weit, das die Verschärfung der brutalen Situation in den Gefängnissen der islamischen Republik die wichtigste Schlagzeile war. Die Chefs der Justiz haben auf diesen wachsenden Druck mit den vorübergehenden Freilassungen reagiert, um vorerst die Zahl der Inhaftierten zu reduzieren und sich später „bei Gelegenheit“ darum zu kümmern. Einige der verhängten schwerwiegenden Urteile betreffen diese Protestierenden. Die veröffentlichten Informationen zeigen, dass die Justiz der islamischen Republik sehr intensiv mit den Verfahren der im vergangenen November Festgenommenen beschäftigt ist und schnell politisch motivierte Urteile verkündet.
Im Februar 2019 haben die “Reporter ohne Grenzen” nach Zugriff suf ein offizielles Dokument der iranischen Justiz bekannt gegeben: „In diesem Dokument sind die Personalien von einer Million und sieben Hunderttausend Menschen registriert, die aus allen Teilen der Gesellschaft stammen, Frauen, Männer, Kinder, Angehörige religiöser und ethnischer Minderheiten, gewöhnliche und politische Gefangene sowie politische Gegner und Journalisten, auch Hobby-Journalisten.“
Die Reporter ohne Grenzen gaben noch bekannt, dass sie bei ihren Recherchen auf Informationen über ca. 62000 politische Gefangene seit 1980 gestoßen sind. Mindestens 520 von ihnen sollen bei ihrer Festnahme 15 bis 18 Jahre alt gewesen sein. Dieses Dokument betrifft wohl bemerkt nur Teheran und nicht das ganze Land. Laut derselben Quelle sollen bei den Protesten des Jahres 2009 mehr als 6048 Personen festgenommen worden sein. Der damalige Justizchef Larijani bestritt seinerzeit, dass es im Iran überhaupt politische Gefangene gibt.
Der heutige Justizchef Ebrahim Raisi gehörte zu den Personen, die damals über das Schicksal von mehr als 62000 politische Gefangene entschieden. Seine steile Karriere verdankt auch er u.a. seiner Beteiligung an dem Massaker an den politischen Gefangenen im Sommer 1988.
Auch wenn Raisi selbst seine Rolle beim Massaker an politischen Gefangenen verleugnet, wird von anderen immer wieder auf seine Rolle hingewiesen und er wird dafür gelobt.
Menschen wie Ebrahim Raisi wurden als „Verbrecher der Geschichte“ bezeichnet. Während des Wahlkampfes wurde er von dem heutigen iranischen Präsidenten Rouhani als „diejenigen, die während der letzten 38 Jahre nur Gefängnis und Hinrichtung beherrscht haben“ bezeichnet.
Die Justiz im Iran spielt neben ihrer Rolle bei der Unterdrückung, eine weitergehende Rolle bei Manipulation, Täuschung, Zwietracht und Spaltung der Gesellschaft. Während durch brutale Unterdrückung jegliche Proteste und Protestierende konsequent unterdrückt werden, veranstaltet die Justiz derzeit Scheinprozesse zur Bekämpfung von Korruption.
Es sind nicht nur deshalb Scheinprozesse, weil dabei niemand verurteilt wird, sondern auch weil es dabei um Schutz der Hauptfiguren geht. Die Macher dieser Scheinprozesse besitzen dabei nicht einmal die erforderliche Raffinesse. Andererseits sind ihre Zuschauerinnen und Zuschauer mittlerweile so erfahrend, dass sie sich von ihnen nicht täuschen lassen.
Ali Khamenei hat während einer Videokonferenz mit den Verantwortlichen der Justiz sie aufgefordert, von der Justiz ein besseres Bild zu vermitteln. In Verbindung mit der Korruptionsbekämpfung behauptete er, dass dieser Prozess schon unter Vorgänger von Ebrahim Raisi begonnen hatte.
Obwohl der Justiz-, Polizei- und Sicherheitsapparat der islamischen Republik in der aktuellen Situation eine Doppelstrategie verfolgen, Unterdrückungspolitik und „Propaganda um ein besseres Bild abzugeben“, gibt es keine Erfolgsaussichten für diese Politik. Es ist davon auszugehen, dass sich die herrschenden politischen, ökonomischen und sozialen Krisen weiter verschärfen werden, was den Zorn und die Wut der Menschen steigern wird. Dieser Zorn wird dieses Regime der Angst und des Terrors, der Armut und Diskriminierung vernichten.
Artikel aus KAR; Nr. 873; Juni 2020