Räteregierung der Arbeiter oder die Diktatur der Bourgeoisie, es gibt keinen dritten Weg!

Weshalb ging aus der Revolution von 1979 die islamische Reaktion unter Führung von Khomeini hervor? Warum erlitten Menschen, die mit tausenden Opfern das bürgerliche Schah-Regime stürzten und für Freiheit und Gleichheit kämpften, ein derart fatales Schicksal? Was ist der Ausweg?

Um diese Fragen zu beantworten, müssen wir uns zunächst der wichtigen Frage der Beziehung von Revolution und Staat widmen. Muss die Revolution die alte Staatsmaschine zerschlagen oder kann sie diese durch Änderungen im Dienst der Revolution einsetzen? Die Geschichte und eben die jüngste iranische Geschichte seit der konstitutionellen Revolution verfügt über wertvolle Lehren.

Zunächst ist festzuhalten , dass die Arbeiterklasse die Hauptrolle beim Sturz des Schah-Regimes spielte. Streiks, darunter auch die der Erdölarbeiter legten das Schah-Regime lahm. Die Arbeiter*Innen waren außerdem an den Massenprotesten und dem bewaffneten Aufstand beteiligt. Die politischen Streiks ebneten den Weg für den bewaffneten Aufstand. Die Forderungen der Arbeiter*Innen und Werktätigen prägten die Streiks.

Die Hauptschwäche der Arbeiterklasse war ihr geringes Klassenbewusstsein und das Fehlen ihrer politischen Klassenorganisation. Dies führte dazu, dass sich in der Bewegung die Hegemonie einer politisch – religiösen Kraft mit bürgerlichem Charakter durchsetzte, deren Ziele sich von Anfang an von denen der Arbeiterklasse und anderen Werktätigen unterschieden. Sie verbarg ihre wahren Ziele und Absichten hinter demagogischen Slogans.

Obwohl das Schah-Regime gestürzt wurde,führte die oben beschriebene Schwäche der Arbeiterklasse dazu, dass der alte Staatsapparat fast unberührt blieb. Die neuen Machthaber  restaurierten und setzten ihn für die Unterdrückung und Zerschlagung der Revolution wieder ein. Nur die Führungsköpfe und Manager wurden ersetzt. Selbst in der Armee wurden einige hochrangige Offiziere in Führungspositionen befördert und bisherige Würdenträger ersetzt. Gleichzeitig wurden auch neuere Unterdrückungsorgane, wie Revolutionsgarden und Revolutionskomitees aufgebaut, die den neuen Umständen und dem religiösen Charakter des Staates entsprachen. Sie sollten die Position der neuen Machthaber festigen und die Zerschlagung der Revolution sicherstellen.

Dieser Staatsapparat mit seinen neuen Organen und Mitteln begann am Tag  nach dem Aufstand damit, die Massen zu unterdrücken und die Errungenschaften der Revolution zurück zu erobern. Immer dann, wenn für die Durchsetzung ihrer Politik neue Einrichtungen benötigt wurden, wurden sie aufgebaut und eingesetzt.

Anstelle der bisherigen Nationalversammlung kam das Islamische Parlament, anstelle des Schah der religiöse Führer. Die neuere Geschichte des Iran bestätigt dieselbe Erfahrung. Keine Bewegung im Iran hat je zu einer ernstzunehmenden Veränderung der Machtstruktur des Staates geführt, selbst nicht einmal zu einer des in Europa des 18. Jahrhunderts üblichen Form des Parlamentarismus. Der Grund dafür liegt auf der Hand. Die iranische Bourgeoisie hat zu keinem Zeitpunkt eine revolutionäre Rolle gespielt, verglichen mit der französischen Bourgeoisie im 18. Jh. Das ist zurückzuführen auf die Art und Weise der Entstehung und Entwicklung der Bourgeoisie und der kapitalistischen Verhältnisse im Iran, die erst in den 1960er Jahren durch Reformen von oben durchgesetzt wurden. Ein deutliches Beispiel dafür ist die Regierung von Ministerpräsident Mossadegh. Diese Regierung vertrat die konservative iranische  Nationalbourgeoisie, die trotz der Unterstützung durch große Teile der Bevölkerung, durch eine Street View und einen Militärputsch gestürzt wurde. Dieser Teil der iranischen Bourgeoisie war selbst nicht in der Lage , die Machtstruktur des Staates dahingehend zu verändern, so dass sie selbst an der Macht bleibt. Die Arbeiterklasse, die die gesamte Staatsmaschine zerschlagen muss, konnte nicht die Macht ergreifen, um diese Aufgabe umzusetzen.

Aus diesen Ausführungen resultiert, dass ein wichtiger Grund für die Niederlage der revolutionären Bewegungen im Iran darin liegt, dass der Staatsapparat nicht zerschlagen wurde. Das gilt auch für die Zerschlagung der Revolution nach dem Aufstand von Februar 1979.

Damit die Arbeiterklasse nach der Revolution ihre Ziele realisieren und sich vom Joch des Kapitals befreien kann, muss sie den Staatsapparat dafür einsetzen. Sie kann aber auf keinen Fall den alten Staatsapparat nutzen, der auf vom Volk getrennte Berufsarmee und privilegierte und über dem Volk stehende Bürokratie basiert und zum Zwecke der Unterdrückung der Arbeiterklasse aufgebaut wurde.

Die Pariser Kommune und die sozialistische Oktoberrevolution lehren uns, dass der einzige Weg, die Zerschlagung des alten Staatsapparates und seine Ersetzung durch einen neuartigen Staatsapparat, der den Aufgaben und Zielen des Proletariats in der Revolution entspricht. Dieser neue Staat kann die Berufsarmee und Bürokratie, die im Dienst der kapitalistischen Ordnung stand und stets über besondere Privilegien verfügte, für seine Ziele einsetzen. Ein Blick auf die Korruption, als Folge der Machtposition von Streitkräften, leitenden Beamten und Angestellten in Parlament, Justiz und Verwaltung bis in die untersten Rängen, macht deutlich, dass weder dieser Appart, noch das System und diese Personen im Dienst von Freiheit und Sozialismus eingesetzt werden können. Das heißt in einem Staat, der die “Expropriation der Expropriateure” verwirklichen will. Der Grund für diese Korruption und Verderbtheit des gesamten Staatsapparates ist klar. Die Bourgeoisie ist zahlenmäßig klein. Für die Aufrechterhaltung ihrer Herrschaft braucht sie Leute in Verwaltung und Unterdrückungsorganen (im Iran muss man den religiösen Appart noch hinzufügen). Aus ihrer jeweiligen Position müssen sie die Funktion des Systems gewährleisten und ihre Existenz sichern. Sie versuchen gleichzeitig aus ihrer Position materielle Vorteile zu erzielen. Dafür gibt es zahlreiche Beispiele. Diese Problem ist jedoch nicht nur typisch für einen absolutistischen religiösen Staat wie islamische Republik. Auch in den entwickelten kapitalistischen Staaten gilt es, auch wenn es nicht so offensichtlich vor sich geht wie im Iran. Auch in diesen Ländern sind leitende Beamten besonders privilegiert und nutzen ihre Stellung als eine Brücke, um später in großen kapitalistischen Unternehmen eine Managementaufgabe zu übernehmen natürlich mit besserer Bezahlung und anderen Vorteilen.

Viele Politiker*Innen wechseln aus dem Staatsdienst ins Management von Unternehmen und nutzen ihre Erkenntnisse und Beziehungen im Interesse der sie beschäftigenden Unternehmen. ( Das läuft natürlich auch anders herum. Aus den Unternehmen in den Staatsdienst, um von dort aus die Interessen derselben Unternehmen durchzusetzen). In diesen Ländern wird vor und während der Parlamentswahlen viel versprochen. Alles, was dem Gemeinwohl dienen soll, wird nach dem sie gewählt sind, wieder vergessen. Das beste Beispiel dafür ist Griechenland. Die SYRIZA, die den linken Flügel der Bourgeoisie vertrat, kam mit dem Versprechen an die Macht, um jene Katastrophe zu beenden, die der Kapitalismus in Griechenland verursacht hatte. In der Praxis ging sie aber denselben Weg wie der rechte Flügel der Bourgeoisie. Die SYRIZA ignorierte das “Nein” der Griechen auf die von EU vorgegebenen Sparmaßnahmen und trat sogar bürgerliche Normen mit Füßen. Letztendlich wurde dieses Referendum zu einer bitteren Tragödie für die griechische Bevölkerung.

Tatsächlich spielt die Bourgeoisie seit fast Hundert Jahren keine Rolle bei der Entwicklung der Gesellschaft und hat sich zu einem Hindernis für ihren Fortschritt verwandelt. Die ökonomischen Krisen der kapitalistischen Ordnung sind ein Beispiel für diesen Verfall. Parallel dazu sind auch politische Strukturen der kapitalistischen Staaten ein Hindernis für die gesellschaftliche Entwicklung, weil die kapitalistischen Staaten bestrebt sind die Verhältnisse zu schützen, deren historische Periode bereits vorbei ist. Es handelt sich dabei um eine notwendige und logische Beziehung zwischen Form und Wesen eines Phänomens. Es kann nicht sein, dass sich die Bourgeoisie zu einem Hindernis für die Entwicklung der Geschichte verwandelt, jedoch ihre politischen Strukturen noch eine fortschrittliche Rolle spielen. Ein Blick auf die herrschende Politik auf der Welt genügt, um dies festzustellen.

Mit dem Aufstieg der Bourgeoisie und bürgerlichen Revolutionen wurden Regierungen, die sich auf dem Parlament stützen, zu der Hauptform der bürgerlichen Regierung. Parlamentarismus war anfangs gegenüber den feudalen Machtstrukturen eine fortschrittliche Form. Sie hatte jedoch viele Einschränkungen im Zusammenhang mit den Wählern und Gewählten. Z. B. wurde das allgemeine Wahlrecht – d. h. Wahlrecht für Frauen und die Arbeiter*innen – lange nicht anerkannt. Mit der Entwicklung der Gesellschaft und während sich die Bourgeoisie in eine reaktionäre Klasse verwandelt hat, hat sich auch diese Staatsform in ein Hindernis verwandelt und ihre Einschränkungen für die moderne Gesellschaft wurden sichtbar. Das, was heute erleben ist genau das Produkt dieser politischen Reaktion. Je reaktionärer die kapitalistischen Verhältnisse werden und je tiefgreifender ihre Krisen und Schwierigkeiten, desto reaktionärer wird sie auch politisch entsprechend reaktionärer. Der Staatsapparat steht im Dienst derselben reaktionären Politik.

Genau diese sog. demokratischen Staaten von Europa und den USA haben der Welt große Katastrophen wie die Kriege in Nahost und Ukraine aufgezwungen. Die Bevölkerung kann alle paar Jahre erneut wählen. Nach den Wahl Shows und umfangreichen Werbung, die viel Kosten, wird manchmal die Opposition gewählt die nach der Wahl denselben alten Weg schreitet.

In den USA müssen für die Präsidentschaftswahlen Hunderte Millionen Dollar ausgegeben werden. Über solche Summen verfügen i. d. R. nicht nur die Arbeiter*innen nicht, sondern auch keine von den offiziellen politischen Parteien der herrschenden Klasse, Demokraten und Republikaner, unabhängigen Kandidaten.

Im Iran, wo es grundsätzlich keine politischen Freiheiten gibt, gibt es ebenfalls keine Wahlen in bürgerlichen Rahmen. Um sich für die Wahlen aufzustellen, sind nicht enorme Summen auszugeben, sondern müssen Kandidaten durch die Filter zahlreicher staatlicher Institutionen passieren.

Nicht nur Treue gegenüber der islamischen Republik, sondern auch absoluter und bedingungsloser Gehorsam  gegenüber dem  herrschenden Diktator Khamenei ist zu garantieren. Daher können keine Oppositionellen gewählt werden. Selbst Anhänger des Regimes, die gegenüber Khamenei mal eine andere Meinung vertreten würden, werden ausgeschlossen.

Wir müssen uns nun mit der wichtigen Frage befassen, wenn der alte Staat zerschlagen werden soll, was für einen Staat muss an seine Stelle treten und was sind seine Eigenschaften? Was für einen Staat kann den Weg zur Errichtung von Sozialismus und die Beseitigung der Ausbeutung des Menschen durch Menschen ebnen? Die Geschichte hat uns diese Frage beantwortet. Ein Staat kann  dem Fortbestand den kapitalistischen Staaten ein Ende setzen, der selbst kein Staat im     besonderen und herkömmlichen Sinne ist. Er kann nur ein Staat vom Type der Pariser Kommune oder vom Type einer Räteregierung wie nach der Oktoberrevolution sein. In unserem Programm betrachten wir die Räteregierung als die Staatsform, die den kapitalistischen Staat im Iran ersetzen wird.

In der Räteregierung verfügen Regierungsbeamte nicht über die Privilegien, die im Kapitalismus üblich sind. Ihr Gehalt darf dem Durchschnittseinkommen eines Facharbeiters nicht übersteigen. Im Gegensatz zu parlamentarischen Regierungsformen, können Regierungsbeamte nicht nur gewählt, sondern auch abgewählt werden. Die Räteregierung basiert auf dem allgemeinen Wahlrecht. Die Deputierten   der Räte in den Betrieben, Bezirken, Dörfern, Schulen, Krankenhäuser und… Werden direkt gewählt. Der landesweite Kongress der Deputierten ist das höchste Organ der Räteregierung. Die Aufsicht über die Regierung erfolgt von unten. Die Wählerinnen und Wähler können die Gewählten jederzeit abwählen, wenn sie gegen ihren Willen handeln.

In der Räteregierung werden keine bewaffneten Streitkräfte existieren, die vom Volk getrennt sind und gegen das Volk handeln und eingesetzt werden können. Die bewaffneten Massen unter der Aufsicht der Räte werden die neue Ordnung schützen. Die Berufsarmee wird durch die bewaffneten Massen ersetzt. Historische Beispiele wie im Vietnam haben gezeigt, dass eine solche Volksarmee gegen die größten und mächtigsten imperialistischen Besatzungsarmeen Widerstand leisten und siegen kann. In der Räteregierung sind die Exekutive und Legislative nicht voneinander getrennt. Dadurch können alle Prozesse von Räten beaufsichtigt werden, damit die Beschlüsse und Entscheidungen mit dem geringsten Zeit-, und Kostenaufwand und ohne parlamentarische Shows umgesetzt werden.

Die Justiz der kapitalistischen Regierung als ein Unterdrückungsinstrument zerstört.Richter*innen werden gewählt und können abgewählt werden.

Die Räteregierung hat den Vorteil, dass er kostengünstig handelt. Durch die Auflösung der Berufsarmee, der Bürokratie und Posten, die enorme Kosten verursachen, wird das Volk von diesen enormen Kosten der bürgerlichen Regierung befreit. Das Geld wird für die Verbesserung der Lebensbedingungen der Arbeiter*innen und Werktätigen, öffentliche und kulturelle Maßnahmen verwendet, die dem Wohlergehen des Volkes dienen. Die Räteregierung setzt sich für bedingungslose Rede- und Meinungsfreiheit. Nur immer bewusster werdende Arbeiter*innen und Werktätigen sind ein Garant für den Fortbestand und die Fortsetzung des Aufbaus des Sozialismus.

Abgesehen von ihren ökonomischen Maßnahmen für eine sozialistische Wirtschaft und den Übergang von kapitalistischen Verhältnissen, wird die Räteregierung Maßnahmen ergreifen, um die  Probleme der Subsistenz zu beseitigen und dafür sorgen, dass sich die Arbeiter*innen und Werktätigen bewusster in politischen Fragen einmischen.

Eine weitere Maßnahme der Räteregierung ist die vollständige Trennung von Staat und Religion. Die Religion wird zur Privatsache. Alle Privilegien für eine bestimmte Religion werden aufgehoben. Es gibt keine Staatsreligion und jede/jeder kann frei darüber entscheiden, religiös zu sein oder nicht. Durch diese Maßnahme wird nicht nur das unter der islamischen Republik angehäufte Eigentum der religiösen Einrichtungen konfisziert, sondern wird gegen die politische-religiöse Kraft, die für alle Katastrophen der vergangenen Jahrzehnte verantwortlich sind, auch   der größte politisch Schlag zugesetzt.

Es gibt keinen anderen Weg. Entweder eine Räteregierung, die den herrschenden Staatsapparat zerschlägt und eine neue Ordnung aufbaut, oder die Fortsetzung des Absolutismus und Fortbestand des alten Staatsapparates, die nur die bisherigen Katastrophen und das Leid fortsetzen wird.

Die Räteregierung ist die Regierungsform, die sich in ihrer Struktur von bürgerlichen Regierungsformen, parlamentarisch, absolutistisch oder religiös, unterscheidet. Dadurch schafft sie die Voraussetzungen für den Übergang von der kapitalistischen  zur sozialistischen Gesellschaft. Eine Gesellschaft, in der es keine Ausbeutung des Menschen durch Menschen gibt und es keinerlei Bedingungen für die Freiheit gibt.  Mit  den Worten von Marx und Engels im kommunistischen Manifest, eine Gesellschaft, “worin die freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist.”