Frankreich: Massenproteste gegen Polizeistaats-Gesetz und soziale Ungerechtigkeit
Am 28. November fanden Demonstrationen für Pressefreiheit und gegen Polizeigewalt sowie soziale Ungerechtigkeit in 100 Städten in Frankreich statt. Laut Veranstalter sollen landesweit mehr als eine halbe Million Menschen an den Protesten teilgenommen haben.
Neben den Journalistenvereinigungen, Menschenrechtsorganisationen, den Linksparteien hatten auch einige französische Gewerkschaften (CGT, FSU, SUD Solidaries, FO und Journalistenverbände der CDFT) zu dem Protest aufgerufen.
Die Protestierenden forderten den Verzicht auf das neue umstrittene globale Sicherheitsgesetz. Das neue Sicherheitsgesetz soll die Polizei stärken und u. a. das Filmen von Polizist:innen in “schädigender Absicht” verbieten.
Innerhalb einer Woche wurden zwei Videos veröffentlicht, die die brutale Polizeigewalt gegen Geflüchtete sowie gegen den schwarzen Musikproduzenten Michel Zecler zeigen. Während die Regierung durch den Gesetzentwurf die Polizei besser schützen will, wird aus der Sicht der Kritiker die Pressefreiheit gefährdet.
Infolge dieser Proteste kündigte die Regierung an, dass das bereits von der Nationalversammlung verabschiedete Gesetz geändert bzw. überarbeitet werden soll. Das ist sicherlich ein wichtiger Erfolg für die Protestbewegung.
Polizeigewalt wird nicht zum ersten Mal in Frankreich thematisiert. Auch bei den “Gelbwesten” Protesten wurden zahlreiche Fälle von brutaler Polizeigewalt dokumentiert und veröffentlicht.
Weitere Themen in diesem Zusammenhang sind Rassismus, rassistische Gewalt, und Racial Profiling durch französische Polizei. Genauso wie in anderen europäischen Ländern ist das Thema institutioneller Rassismus ein Teil des öffentlichen Diskurs. Auch in Frankreich wird rassistische Polizeigewalt verleugnet, auf Einzelfälle und Ausnahmen reduziert und systematisch verharmlost.
Die herrschende Klasse in allen kapitalistischen Ländern bezeichnet die Polizei als “Beschützer der Sicherheit der Bürger:innen”. Auch wenn in “ruhigen” Zeiten manche das glauben sollten, zeigt sich während ökonomischer, sozialer und politischer Krisen, dass die eigentliche Rolle und Aufgabe der Polizei darin besteht, die bestehende ökonomische Ordnung und die Interessen der herrschenden Klasse zu schützen und die protestierenden Massen zu unterdrücken.
Die Proteste in Frankreich richten sich eigentlich nicht nur gegen Angriffe auf Pressefreiheit und Demonstrationsrecht und gegen Polizeigewalt, sondern auch gegen die Ausweitung von sozialer Ungerechtigkeit, gegen Armut und Arbeitslosigkeit. Das Scheitern der neoliberalen Politik und die Vertiefung der strukturellen Krisen des Kapitalismus haben die Unzufriedenheit der Bevölkerung weiter verschärft.
Die wachsende Kluft zwischen Armut und Reichtum wird besonders heute sichtbar. Während durch die aktuelle Wirtschaftskrise, verschärft infolge der Corona-Pandemie, die Armut durch Jobverlust, Kurzarbeit etc. für die große Mehrheit der Bevölkerung wächst, hat sich an der Konzentration des Reichtums für eine kleine Minderheit nichts geändert und sie sind teilweise reicher geworden. Das treibt natürlich die betroffenen Menschen auf die Straßen.
Die Tatsache, dass trotz der Corona-Pandemie in Frankreich hunderttausende Menschen gegen Polizeigewalt und gegen soziale Ungerechtigkeit auf die Straße gehen, zeigt wie wichtig diese sozialen Themen sind.
Der Rückzieher der französischen Regierung zeigt, dass es durch organisierte Proteste immer wieder möglich ist , die eigenen Forderungen der herrschenden Klasse aufzuzwingen.
Für den Erfolg in jedem noch bevorstehenden Kampf gibt es keine Alternativen zur Einheit, Solidarität und Organisation.
Artikel aus KAR Nummer 898, erschienen im Dezember 2020