Die Gewissheit von Kapitulation und die Fortsetzung der Konflikte
Am Dienstag 24. November sprach Ali Khamenei auf einer Sitzung mit den Verantwortlichen der drei Gewalten sowie anderen Mitgliedern des Obersten Rats für die Wirtschaftskoordination über die Wirtschaft und bezeichnete sie als das “Hauptthema des Landes”.
Einst hatte Khomeini gesagt, die “Wirtschaft ist etwas für Esel”. Die tiefgreifende Wirtschaftskrise und der Druck der Sanktionen, die das herrschende Regime in die Enge getrieben und seine Wirtschaft am Rande des Zusammenbruchs geführt haben, scheinen wohl die Weisheit von Khomeini ausgelöscht zu haben. Khamenei sprach über die wirtschaftlichen Probleme und der Ausweg aus dieser Situation. Die Sanktionen wurden als “eine bittere Realität” bezeichnet und er erklärte, was die praktische Lösung aus seiner Sicht sei.
Für die “Heilung von Sanktionen” skizzierte er zwei Optionen: zum einen die “Neutralisierung und Überwindung von Sanktionen” und zum anderen ” die Aufhebung von Sanktionen”. Bezüglich der ersten Lösung sagte er :” wenn wir uns bemühen und Initiative zeigen und vor Schwierigkeiten standhaft bleiben, können wir die Sanktionen überwinden und die andere Seite wird feststellen, dass diese unwirksam sind, dann werden sie schrittweise aufgehoben”.
Die iranische Bevölkerung hat vor allem in den letzten drei Jahren, seit die Sanktionen verschärft wurden, oft genug festgestellt, dass es sich bei innovativen Lösungen der Regierung um absurde Behauptungen handelt. Daher werden solche Äußerungen auch nicht ernst genommen.
Die Hauptbotschaft und zugleich die zweite Lösung lautet “die Aufhebung von Sanktionen”. Er sagte dazu :” Wir haben diesen Weg der Aufhebung der Sanktionen durch Verhandlungen bereits getestet, aber er war erfolglos” und fügt hinzu ” den Ausländern (Fremden) kann man nicht vertrauen und darauf hoffen, dass sie sich öffnen”. In der Tat beschreibt er aus seiner Sicht den einzigen Ausweg für die islamische Republik und erteilt zugleich die Erlaubnis, zur Aufhebung der Sanktionen zu verhandeln.
Einen Tag später äußerte sich Hassan Rouhani auf der Kabinettssitzung optimistisch darüber , dass die Lösung der Differenzen mit den USA nach dem Ende der Trumps Präsidentschaft “einfach” sein könnte. Er sagte :” die Politik der islamischen Republik Iran, wie wir wiederholt betont haben, beruht auf gegenseitige Verpflichtung und Maßnahmen, Abbau von Spannungen und gegenseitiger Respekt gegenüber internationalen Verpflichtungen. Wenn die nächste US-Regierung diesen Willen hat, wird es meiner Meinung nach einfach, Probleme zu lösen.”
Rouhani erklärt dasselbe Thema mit anderen Worten. Als oberster Führer muss Khamenei seine Zustimmung so äußern, dass er sich später der Verantwortung entziehen kann, falls diese Politik fehlschlagen sollte. Trotzdem öffnet er den Weg für Verhandlungen, was in den deutlichen Äußerungen von Rouhani sichtbar wird. Es geht bei dieser Feststellung nicht darum zu sagen, dass es keine Unterschiede zwischen den Ansichten von Khamenei und Rouhani gibt. Die islamische Republik befindet sich in einer derart ausweglosen Situation, so dass diese Unterschiede bis in den höchsten Positionen verborgen werden und keine Rolle spielen. Der einzige Ausweg ist trotz aller Differenzen Verhandeln.
Die Bereitschaft für Verhandlungen für die Aufhebung von Sanktionen bedeutet noch lange nicht, dass es auch so kommen wird. Die Wahl von Joe Biden zum US – Präsidenten war der erste Schritt. In der aktuellen Situation herrschen sowohl in den USA wie auch im Iran andere Bedingungen und unterscheiden sich von Obama-Zeit, als das Atomabkommen zustande kam.
Obwohl Joe Biden die von Trumps Regierung eingeleiteten Maßnahmen gegenüber der islamischen Republik und den Ausstieg aus dem Atomdeal als falsch bezeichnet hat, wird es wohl ein Zurück zum alten Atomabkommen nicht geben. Auch die anderen am Atomabkommen beteiligten Länder, Frankreich, England und Deutschland, haben zwar den einseitigen US-Ausstieg aus dem Atomdeal kritisiert , sie haben ebenfalls die islamische Republik vor Verletzung ihrer Verpflichtungen aus dem Atomabkommen gewarnt und deren Einhaltung gefordert. In einer von CNN veröffentlichten Notiz äußert sich Biden über “intelligentere Möglichkeiten, um den Iran unter Druck zu setzen”. Darüber hinaus kritisieren sie die regionale Einmischung der islamischen Republik sowie ihr ballistisches Raketenprogramm. Hierbei herrscht Einigkeit zwischen den USA und Europa. Es ist davon auszugehen, dass auch Russland und China aus der Sicht ihrer eigenen Interessen diese Politik unterstützen würden.
Durch unterschiedliche Maßnahmen versucht die islamische Republik, sich eine bessere Verhandlungsposition zu verschaffen. Dazu gehören die Verletzung der Verpflichtungen aus dem Atomabkommen im Zusammenhang mit Urananreicherung und der Anzahl von Zentrifugen; der Versuch eine Atombombe zu erwerben; die Ausweitung des ballistischen Raketenprogramms und Raketentests; Intensivierung und Ausweitung der regionalen Einmischung, wie in Irak, Syrien, Libanon und Jemen.
Die Ermordung vom iranischen Atomphysiker Mohsen Fakhrizadeh am 27. November durch einen Terroranschlag zeigt, wie anfällig dieses Programm ist.
Die Wahrheit ist, dass die Bedingungen und das Kräfteverhältnis keinesfalls im Interesse der islamischen Republik sind. Die Existenz der islamischen Republik ist ernsthaft gefährdet. Um das eigene Überleben sicherzustellen, muss die islamische Republik Zugeständnisse machen. Sie hat gar keine andere Wahl.
In Fragen des Atomprogramms, das ist auch die Vorgabe von Khamenei, darf verhandelt werden und hier wären Zugeständnisse nicht Neues. Die islamische Republik ist bereit, zu dem Stand des Atomabkommens zurückzukehren. Aus der Sicht der islamischen Republik reicht die Aufhebung eines Teils der Sanktionen, beispielsweise im Bereich Handels- und Bankgeschäfte aus, um aufs Niveau von Atomabkommen zurückzukehren.
Auch Zugeständnisse im Bereich des Raketenprogramms können nicht ausgeschlossen werden. Die wirtschaftliche und finanzielle Lage der islamischen Republik ist sehr kritisch und sie befindet sich in einem tödlichen Dilemma. Trotzdem wird sie ohne dass Zugeständnisse gemacht werden, die den Status der Sanktionen ändern und ihre finanzielle Lage verbessern, nicht zurückweichen.
Die rote Linie für Zugeständnisse durch die islamische Republik ist ihre Außen- und panislamische Expansionspolitik.
Wenn nicht unmöglich, es scheint aber recht unwahrscheinlich, dass in der gegenwärtigen Situation die islamische Republik in dieser Hinsicht einen Rückzug startet. Es sei denn, die islamische Republik würde ihre bisherige Funktion in Frage stellen.
Es ist klar, dass die islamische Republik Zugeständnisse machen und in bestimmten Rahmen kapitulieren wird. Es ist wahrscheinlich, dass die Differenzen des Regimes mit den USA und Europa teilweise abgebaut werden. Das große Problem, nämlich die Außenpolitik der islamischen Republik wird bestehen bleiben.
Daher ist die Fortsetzung der Konflikte der islamischen Republik mit den USA und Europa sicher.
Artikel aus KAR 897, erschienen am 29.11.2020