Der Aufstand des libanesischen und irakischen Volkes gegen Armut, Korruption und die herrschende sektiererische politische Struktur

Der Nahe Osten versinkt in politischen Unruhen. Politische Turbulenzen haben die gesamte Region erfasst. Demonstrationen und Aufstände, Bürgerkriege, regionale Kriege, umfassende Krisen korrupter und räuberischer, religiöser Regimes, sektiererische Auseinandersetzungen, die Einmischung und militärische Intervention der plündernden Kräfte  und die Invasion imperialistischer Mächte ist das Charakteristikum der aktuellen politischen Lage im Nahen Osten.

Eben diese Umstände führen dazu, dass die Menschen aller dieser Länder stets für die Revolution und Aufstände bereit sind, um reaktionäre Regimes zu stürzen, die durch die Plünderung der  enormen Reichtümer dieser Länder, durch Tyrannei und Unterdrückung, Millionen arbeitenden Menschen Armut, Elend, Hunger und Arbeitslosigkeit aufzwingen.

Die jüngsten politischen Entwicklungen in der Region finden in dem Aufstand der irakischen und libanesischen Bevölkerung ihren Ausdruck. Es sind nun einige Wochen seit dem neuen Aufstand der irakischen Bevölkerung gegen die herrschende, korrupte, schiitisch- islamistischen Banden vergangen. In Libanon haben auch die Aufstände gegen die herrschenden, korrupten religiösen und ethnischen Banden, kürzlich begonnen.

Die Probleme in beiden Ländern sind identisch. Arbeiter und Werktätigen beider Länder haben sich gegen Armut, Arbeitslosigkeit, Hunger, Rechtlosigkeit , Ungleichheit und die tiefe Kluft zwischen Armut und Reichtum, Korruption des Staatsapparates und die Plünderung ihrer Länder durch die herrschenden Sekten erhoben und treten für den Sturz der gesamten politischen Macht ein.

Der Libanon befindet sich in einer schweren Wirtschaftskrise und ist finanziell bankrott. Das Bruttoinlandsprodukt ist auf – 2% gesunken.  Die Staatsschulden sind binnen weniger als 7 Jahre auf fast 30 Milliarden US-Dollar gestiegen. Die Staatsverschuldung liegt bei über 150 Prozent des BIP. Die Inflation lag im vergangenen Jahr bei 6%. Laut UN leben 1,6 Millionen der 6 Millionen Einwohner Libanons unterhalb der Armutsgrenze.

Die Jugendarbeitslosigkeit bei unter 35-jährigen liegt bei ca. 37%. Zwischen 2005 und 2014 ging 25% des Nationaleinkommens in die Taschen von 1% korrupten Reichen, die  über 58% des libanesischen Gesamtvermögens verfügen.

Kommunale Dienstleistungen lassen zu wünschen übrig. Häufige Stromausfälle und Unterbrechung der Wasserversorgung und Verunreinigung des Trinkwassers, Probleme mit der Müllabfuhr und sonstigen öffentlichen Dienstleistungen zählen zu den alltäglichen Problemen in Libanon.

Ausschlaggebend für den Aufstand der Bevölkerung gegen die bestehende Ordnung war u.a. die weitgehend korrupte Staatsstruktur. Libanon belegt dabei den Rang 138 unter 180 Ländern. Das ist auf die politische Struktur des Landes zurückzuführen, in dem religiöse und ethnische Sekten die politische Macht unter sich teilen und das Land ausplündern. Sie sind darüber hinaus i. d. R. abhängig von internationalen und regionalen Mächten und erhalten hohe Summen von ihnen. Diese Tatsache wurde u. a. von Anführer der libanesischen Hisbollah bestätigt, dass sie von der islamischen Republik Iran finanziert werden.

Mit der Unterzeichnung des Abkommens von Ta’if im Jahre 1989, ging die Präsidentschaft an die maronitischen Christen, das Amt des Premierministers an die sunnitischen Moslems und das Amt des Parlamentspräsidenten an die schiitischen Moslems. Die Sitze im Parlament wurden zu gleichen Teilen zwischen christlichen und muslimischen Sekten verteilt. Mit dieser politischen Struktur befindet sich Libanon in einer tiefgreifenden Wirtschafts- und Finanzkrise. Weitere Kredite von Ausland werden von Sparmaßnahmen abhängig gemacht wie neue und höhere Steuern auf Zigaretten, Kraftstoffe, Elektrizität usw., die die libanesischen Arbeiter*Innen und Werktätigen zusätzlichen Druck aussetzen werden. Als Beispiel für neue Steuern kann hier auf eine monatliche Steuer für die Nutzung von WhatsApp in Höhe von 6 US-Dollar hingewiesen werden.

Die Voraussetzungen für den Aufstand waren bereits da. Es begann mit Demonstrationen und Errichtung von Straßenblockaden und Sit-ins am 17.10.2019. Am 20.10.2019 entwickelte es sich zu einem Aufstand. Mehr als 1,5 Millionen Menschen in Beirut, Tripoli und Tyros schlossen sich dem Aufstand an.

Angriffe auf Banken, brennende Straßenblockaden gab es nun landesweit. Viele öffentliche und private Einrichtungen wurden geschlossen. In Tripoli und Nabatäa wurden die Plakate der Anführer islamistischer Gruppen abgerissen. Mittlerweile nahmen alle an den Protesten teil, unabhängig von Religion, Geschlecht, Alter…  Es war nicht möglich, die 1,5 Millionen DemonstrantInnen durch Gewaltanwendung zu stoppen. Premierminister Hariri, der zuvor die WhatsApp Steuer zurückgezogen hatte, machte weitere Zugeständnisse und versprach neue Reformen. Seine Versprechen zeigten jedoch keine Wirkung. Die Protestbewegung in Libanon  gegen Korruption und Sektierertum richtet sich gegen das ganze politische System. DemonstrantInnen fordern eine neue Regierung bestehend aus unabhängigen Richtern.

Während die Proteste in Libanon fortgesetzt wurden, begann die zweite Protestwelle in Irak, die von Angriff auf Regierungsbüros, Parteibüros von sektiererischen Parteien, vor allem die Büros von Parteien und Milizen, die der islamischen Republik nahestehen, begleitet wurde.

Die materielle und wirtschaftliche Lebenssituation der Menschen im Irak ist sehr schlecht und gar schlechter als Libanon. Die Arbeitslosenquote liegt bei 40%. Von 38 Millionen Einwohnern sind fast 15 Millionen arbeitslos. 40 bis 50 Prozent der Bevölkerung, vor allem im Süden, leben in absoluter Armut.

Nach IWF wird der überwiegenden Mehrheit der irakischen Bevölkerung der Zugang zu Bildungs- und Gesundheitswesens verweigert. Probleme mit Elektrizität und Trinkwasserversorgung kommen hinzu.

Die Erdöleinnahmen des Irak seit dem Sturz von Saddam betragen ca. 1 Billion US-Dollar. Die Auslandsverschuldung beläuft sich derzeit auf ca. 130 Milliarden US-Dollar. Was geschah mit dem ganzen Geld? Der Irak belegt bei Korruption Rang 170 unter 180 Ländern. Es ist klar, dass diese Geld von plündernden sektiererischen Gruppen eingenommen wurde.

Die Proteste im Irak gehen weiter und ihr Ziel ist, das korrupte, sektiererische politische System zu stürzen , das ihnen durch die Absprache zwischen dem US – Imperialismus und dem reaktionären islamistischen Regime des Iran aufgezwungen wurde. Während dieser Proteste sind bislang Hunderte DemonstrantInnen getötet und verwundet worden. Neben den Söldnern der herrschenden Sekten haben auch bewaffnete Gruppen, die der islamischen Republik Iran nahestehen, auf die Protestierenden das Feuer eröffnet.

Die Zugeständnisse und Reformversprechen des Premierministers haben keine Wirkung gezeigt, da die Proteste unvermindert weitergehen. Selbst die Verhängung des Ausnahmezustandes ist gescheitert.

Die Forderungen der am Aufstand beteiligten Menschen sind klar: Rücktritt des gesamten Kabinetts, die Auflösung des Parlaments, die Auflösung der politischen Parteien, die Errichtung einer neuen nicht-sektiererischen politischen Ordnung und die Verwirklichung aller wirtschaftlichen, sozialen und politischen Forderungen des irakischen Volkes.

Es ist klar, dass die herrschenden korrupten und islamistischen Sekten im Irak und Libanon nicht bereit sind, aufzugeben und sich dem Willen des Volkes zu unterwerfen. Um ihre Vorteile und Position aufrechtzuerhalten, werden sie  jedes Verbrechen begehen.

Gleichzeitig ist die Unzufriedenheit der Menschen im Irak und Libanon nicht mehr zu kontrollieren. Ihr Kampf wird trotz allen Schwierigkeiten und Unterbrechungen fortgesetzt werden.

Artikel aus KAR Nummer 844, Oktober 2019