Der Streit der rivalisierenden Fraktionen der Herrschenden um den Besitz der staatlichen Betriebe skaliert immer mehr. Eine Gruppe der Abgeordneten des Parlaments, die zu der Fraktion angehören, die in Konkurrenz mit Präsident Rouhani steht, hat auf erhebliche Missbräuche beim Transfer von staatlichen Unternehmen hingewiesen. Vor drei Monaten beantragten fünfzig Abgeordnete Ausreiseverbot für den Leiter der Privatisierungsanstalt, was auch scheinbar geschehen ist.

Anschließend wurde bekannt gegeben, dass 115 Abgeordnete in einem Brief an den Chef der Justiz „eine zügige und ernsthafte Untersuchung der zahlreichen Verfahren, die die Verstöße bei der Privatisierung betreffen“ fordern. Außerdem wurde eine „öffentliche Gerichtsverhandlung für den Leiter der Privatisierungsanstalt und Berichterstattung darüber gefordert.“

Die Privatisierung der staatlichen Produktions- und Dienstleistungsbetriebe und Einrichtungen haben den Regierungsbanden und Kapitalisten riesige Gewinne beschert. Für die Arbeiter*Innen hat das jedoch immer schwerwiegende Folgen gehabt. Zahlreiche der in den vergangenen 30 Jahren privatisierten Unternehmen wie z. B. Arj, Textil Ray, Textil Behshahr, Lebensmittelproduktion Mashhad, … wurden bereits stillgelegt und ihre Beschäftigten wurden arbeitslos. Zig Unternehmen befinden sich derzeit in einer kritischen Situation.

Auch Unternehmen wie Hepco, Foulad Ahwaz, der agro-industrielle Rohzuckerkomplex Haft Tapeh wären ebenfalls beinah stillgelegt. Dadurch konnten über zahn Tausend Arbeiter*Innen arbeitslos werden. Der Widerstand der Arbeiter*Innen hat das bislang verhindert.

Infolge der Privatisierungen werden die Löhne der beschäftigten Arbeiter*Innen ständig mit mehrmonatiger Verzögerung ausgezahlt. Die Reallöhne sinken ständig, Rechtlosigkeit und Arbeitslosigkeit für zahn Tausende sind die konkreten Folgen.

Aufgrund dieser schwerwiegenden Folgen sprechen nicht nur Ökonomen und Wirtschaftszeitungen, sondern auch einige Amtsträger wie der Vizepräsident von einer Krise und dem Scheitern der Privatisierung. Kürzlich bestätigte der Leiter der Privatisierungsanstalt das Scheitern der Privatisierung und fügte zur Rechtfertigung hinzu:“ Die Umsetzung der Maßnahmen des Art. 44 der Verfassung waren in den vergangenen 12 Jahren nicht erfolgreich. Der Grund war weder die Privatisierungsanstalt noch die zu transferierenden Unternehmen. Der Grund liegt darin, dass nicht zugelassen wird, damit die Anstalt ihre Aufgaben durchführen kann.“

Trotz des Scheiterns steht die Abkehr von dieser Politik wohl nicht zur Debatte und es wird nach wie vor daran festgehalten. Es stellt sich die Frage, was die Ursachen der Krise und Scheitern der Privatisierungen sind?

Die Befürworter der Privatisierung behaupten, dass im Iran keine Privatisierung im eigentlichen Sinne durchgeführt wurde. Staatliche Unternehmen wurden an öffentliche und regierungsnahe Einrichtungen wie die Revolutionsgarden übertragen. Wer sind aber die Kapitalisten des privaten Sektors, die eigentlich bedient werden sollten, damit Privatisierung im eigentlichen Sinne durchgeführt wird?

Die Befürworter der Privatisierung vertreten die Position, dass es während der EX-Präsidenten Rafsandschāni und Khatami Privatisierungen im eigentliche Sinne gab. Unter Ex—Präsident Ahmadineschad entgleiste die Privatisierung.

Unter Rafsandschāni wurden die öffentlichen Einrichtungen und Betriebe wie Kriegsbeute behandelt und unter Anhängern der islamischen Republik und ihren Banden verteilt. Unter Rafsandschāni kamen Privatisierungen der Anhängerschaft dieser Banden und ihren Familien zugute, die sich als „Diener des Wiederaufbaus“ [Kargozaran-e Saazandegi] organisiert hatten. Rafsandschāni ging so weit, dass er selbst das Informationsministerium und Revolutionsgarden in Wirtschaftsunternehmen umwandelte. Entgegen der Behauptungen von Rafsandschāni und seinem Umfeld gab es keinerlei Vereinbarung darüber, dass sich die betroffenen Betriebe und Einrichtungen in Unternehmen umwandelten, die durch Produktionssteigerung, Wirtschaftsboom und Beschäftigung gekennzeichnet würden. Die meisten von ihnen wurden in den ersten Phasen als unrentabel und bankrott eingestuft und stillgelegt.

Deren Inventar wurde verkauft. Ihr Grund und Boden wurde entweder teuer verkauft oder zum Bau von Hochhäusern verwendet. Milliarden Gewinne wurden erwirtschaftet. Der Anteil der Arbeiter*Innen war Arbeitslosigkeit infolge der Privatisierung. Hinzu kam Teuerung durch die Freigabe der Preise als Zwilling der Privatisierung. Das war nichts anderes als eine Plünderung der Reichtümer der iranischen Bevölkerung und hatte eine maßlose Korruption zur Folge, die zu großen Kontroversen unter den Regierenden führte. Die Statistiken über die Privatisierungen in den Jahren 1991-1996 verweisen auf dreistellige Milliardenbeträge.

Nach Rafsandschāni waren nun die „Reformer“ [Eslah-Talaban] an der Reihe, die unter Rafsandschāni leer ausgegangen waren. Sie haben die Privatisierungen scharf kritisiert und auf Korruption als Folge dessen hingewiesen und natürlich ihren Anteil verlangt. Während der achtjährigen Präsidentschaft von Khatami wurden nun Hunderte Milliarden durch Privatisierungen an eine andere Bande der Regierenden verschenkt.

Anschließend war Ahmadineschād an der Reihe. Er prangerte ebenfalls die Korruption einiger höherer Beamten und deren Umfeld infolge der Privatisierung an. Die größte Plünderung fand gerade während seiner Präsidentschaft statt. Als Hauptverdächtiger bei der Plünderung und Ausverkauf der Reichtümer der iranischen Gesellschaft hat Khamenei um das Jahr 2005-2006 die Rahmenbedingungen für Art. 44 der Verfassung vorgegeben. Ihm waren die katastrophalen Folgen dieser Politik durchaus bekannt.

Das war Ahmadineschād, der die neue Verordnung über die Ausweitung von Privatisierungen vollstreckt hat. Die umfangreichsten Privatisierungen, die Freigabe von Preisen und die Abschaffung von Subventionen fanden während dieser Zeit statt. Dafür wurde er von IWF gelobt.

Der Unterschied in dieser Phase war, dass nun ohne jegliche Affektiertheit Institutionen und Einrichtungen bevorzugt und bedient wurden, die Khamenei nahestanden.

Der Prozess der Privatisierung wurde und wird von Präsident Rouhani ebenfalls fortgesetzt. Staatliche Betriebe und Einrichtungen werden zu Schrottpreisen veräußert, um teilweise auch das Haushaltsdefizit auszugleichen. Im Iran ist das Ausmaß von Korruption und Intrigen der unterschiedlichen Regierungsbanden allgemein bekannt.

Die Privatisierungsanstalt legte vor kurzem eine Statistik vor, wonach ca. 1992 Betriebe und Einrichtungen bis Ende des vergangenen Jahres zur Privatisierung vorgesehen waren. 450 von ihnen wurden aus unterschiedlichen Gründen wie Schließung, Pleite oder Fusionen von der Liste gestrichen. Von den verbleibenden 1516 Objekte wurden ca. 200 Betriebe und Einrichtungen ohne Ausschreibung zum Abbezahlen von Staatsschulden transferiert. Von den restlichen 1330 Objekten sind bislang ca. 52% verkauft worden. Die restlichen 48% stehen noch zum Verkauf an.

Was ist aber mit den privatisierten Unternehmen passiert? Von den unter Rafsandschāni privatisierten Einrichtungen gibt es keine Spur mehr. Es wurden anfangs auch keinerlei Daten und Statistiken veröffentlicht. Die Tageszeitung Shargh hat Ende vergangenen Jahres eine Untersuchung über die Privatisierungen von 2001 – 2006 veröffentlicht. In dem Bericht steht: “Das Ergebnis beider Untersuchungen in Bezug auf die Tätigkeiten der privatisierten Unternehmen durch die Privatisierungsanstalt in den vergangenen Jahren stellen alle Behauptungen der Verantwortlichen über die Erfolge der Privatisierung in Frage.“

Laut diesem Bericht wurden von den ersten 100 privatisierten Unternehmen zwischen 2001-2006 mehr als 50 Betriebe stillgelegt oder sind mit ernsthaften Schwierigkeiten konfrontiert. Erfolgreiche Unternehmen hierbei sind aus dem Sektor Petrochemie, Erdöl, Zement und Bergbau. Laut dem Bericht „nicht aufgrund besseres Managements durch den privaten Sektor, sondern aufgrund positiver Bedingungen dieser Unternehmen“.

Daher werden diese lukrativen Objekte von halbstaatlichen-halbprivaten Gruppen besonders begehrt. In den vergangenen Jahren wurden 120 Petrochemie Unternehmen mit einem Jahresgewinn von über 10 Milliarden US Dollar privatisiert. Damit ging auch ein hohes Maß an Korruption einher, hinter der Institutionen standen, die den Revolutionsgarden und Beamten des Informationsministeriums, Erdölgesellschaft usw. zugerechnet werden.

Das Scheitern von Privatisierungen ist zugleich das Scheitern einer neo-liberalen Wirtschaftspolitik, die von internationalen Wirtschafts- und Finanzinstitutionen vorgegeben werden. Diese Politik wird seit Amtszeit von Rafsandschāni umgesetzt. Sie wurde als Strukturanpassungspolitik gekürt. Ihre Hauptelemente waren die Privatisierung staatlicher Produktions- und Dienstleistungsbetriebe, die Freigabe von Preisen, die Abschaffung von Subventionen und ein Angriff auf die Errungenschaften und Lebensstandard der iranischen Arbeiterklasse.

Dieselbe neo-liberale Politik wird seit Ende des vergangenen Jahrhunderts in der kapitalistischen Welt umgesetzt. Ihr Ziel war die Rettung des Kapitalismus vor Stagnation und vorhandenen Krisen. Für die Kapitalisten brachte sie große Gewinne und führte in manchen Ländern auch zu kurzfristigen Erholungsphasen. Für die Arbeiterklasse war sie jedoch katastrophal. Die Kluft zwischen Armut und Reichtum ging weiter auseinander. Sie führte jedoch zu den Krisen der 1990 Jahre in Südost Asien und die große Krise im Jahre 2008, die noch fortbesteht.

Die neo-liberale Wirtschaftspolitik war weltweit vom Scheitern gekennzeichnet. Im Iran war es nicht nur ein Scheitern durch Plünderungen, Korruption, Arbeitslosigkeit, zweistellige Inflation, Abschaffung von Subventionen… also eine komplette Niederlage, die selbst von ihren Befürwortern zugegeben wird, sondern geht durch zahllose Skandale aufs Ende zu.

Artikel aus KAR 821, Organ der Organisation der Fadaian (Aghaliyat) Mai 2019