Die großen Lehren der Revolution von 1979, die wichtige Rolle von ökonomischen und politischen Generalstreiks

Trotz der Niederlage der Revolution von 1979, bleiben der bewaffnete Volksaufstand vom 11. Februar 1979 und der Sturz des monarchistischen Regimes als eines der bedeutsamsten Ereignisse der Geschichte des Kampfes der iranischen Arbeiterinnen und Arbeiter und Werktätigen. Dieser Aufstand hat gezeigt, über welche Macht die unterdrückten Massen verfügen. Sie sind in der Lage, binnen eines Tages die gesamte bewaffnete Macht der herrschenden Klasse zu zerschlagen.

Natürlich war der bewaffnete Aufstand das logische und entwickelte Resultat der Kampfformen der Arbeiterinnen und Arbeiter und Werktätigen während einer Revolution, die aus den wirtschaftlichen, sozialen und politischen Bedürfnissen der iranischen Gesellschaft hervorging. Revolutionen, die Marx als Lokomotive der Geschichte bezeichnet, sind zwangsläufig. Trotz des Widerstandes der reaktionären Klassen gegen die gesellschaftlichen und historischen Bedürfnisse der Menschheit für Veränderung, geschehen immer wieder diese Revolutionen, sie siegen und bringen die Geschichte der Menschheit voran.

Nach der  Niederlage der Revolution von 1979, auf deren Ursachen wir kurz noch eingehen werden, bemühten sich alle inländischen und ausländischen Reaktionäre, das Revolutionszeitalter im Iran für beendet und ihre Herrschaft für ewig zu erklären.

Die Realität der iranischen Gesellschaft hat sie eines besseren belehrt. Es gibt im Iran erneut Veränderungen, die zu einer Revolution führen könnten. Es ist daher notwendig, sich mit den wichtigsten und lehrreichsten Erfahrungen der letzten Revolution zu befassen, damit die Reaktion das Ergebnis des Kampfes der Massen von Arbeitern und Werktätigen nicht vernichten kann und ihre Revolution zum Sieg führt.

Eine besonders wichtige Lehre betrifft die Rolle der Kampf-, und Organisationsformen im Entwicklungsprozess der Revolution. Wenn wir auf die zweite Hälfte der 1970er Jahre zurückblicken, stellen wir fest, dass es im Jahre 1977 zu vereinzelten Protesten in Form von Massendemonstrationen in einigen Städten kam. Sie traten nach dem Massaker am 08.09.1978 durch das Schah-Regime in eine neue Phase. Am 09.09.1978 streikten ca. 200 Arbeiter der Teheraner Erdölraffinerie. Sie zelteten begleitet von ihren Familien Tag und Nacht vor der Raffinerie, um ihre ökonomischen Forderungen durchzusetzen. Dieser Streik, der zwei Monate lang geplant und vorbereitet worden war, wurde unter den neuen Bedingungen zum Ausgangspunkt für neue darauffolgende Streiks, an denen sich alle Erdölarbeiter beteiligten.

Am 11.09.1978 streikte ein Teil der Beschäftigten der Raffinerien in Tabriz , Isfahan und Abadan ebenfalls für ihre ökonomischen Forderungen. Die Zahl der Streikenden war noch niedrig und es konnte weiterhin produziert werden. Nach September steigerten sich die Protestformen und weiteten sich aus.

Ab Oktober wurden die Streiks der Erdölarbeiter besser koordiniert. An dem ersten landesweiten politischen Streik beteiligten sich neben Erdölarbeiter auch Arbeiter aus anderen Betrieben, Bankangestellten, medizinische Zentren und Staatsbediensteten. Sie forderten das Ende des Ausnahmezustandes, Freilassung aller politischen Gefangenen und die Auflösung von SAVAK (die berüchtigte Geheimpolizei des Schah-Regimes). Ab Mitte Oktober erreichten diese Streiks ihren Höhepunkt. Die Erdölarbeiter bildeten ihre Streikkomitees und legten durch ihren Streik die Erdölproduktion lahm. Das war ein wirkungsvoller Schlag gegen das Schah-Regime.

Durch diesen Streik konnte sich die Bewegung weiter ausweiten und es kam zu landesweiten ökonomischen und politischen Streiks.

Gegen die Streiks, vor allem gegen die politischen Streiks der Erdölarbeiter, wurde ein Militärkabinett einberufen, das eine massive Unterdrückung durchführte. Es gab zahlreiche Festnahmen und viele Anführer der Streiks mussten aus dem Untergrund weiterkämpfen. Einen Monat lang gab es keine Streiks. Die Erdölarbeiter wurden gezwungen die Arbeit wieder aufzunehmen. Die Erdölproduktion erreichte das alte Niveau.

Während aber die Revolution voll im Gang war, konnten die Streiks selbst durch brutale Unterdrückung nicht verhindert werden.

Die Erdölarbeiter hatten sich zwischenzeitlich besser organisiert. Die Streikkomitees bauten ihre Koordination und Verbindungen aus und begannen entschlossener ihre Streiks.

Am 14.12.1978 begann der Streik der Erdölarbeiter aller Raffinerien und Erdölfelder und -Anlagen mit überwiegend politischen Forderungen. Die Streikkomitees übernahmen dort die Kontrolle über die Produktion. Die Erdölproduktion wurde von 6 Millionen Barrel pro Tag auf eine Million und wenig später auf Null reduziert. Das Schah-Regime war finanziell ruiniert. Die gesamte Wirtschaft, Produktionsstätten und Dienstleistungen waren von einer sich vertiefenden Krise erfasst.

Die politischen Folgen des Streiks waren schwerwiegender. Dieser Streik begünstigte die Streiks in anderen Betrieben sowie staatlichen und sonstigen Einrichtungen sowie die Massendemonstrationen.

An sich führte der politische Generalstreik der Erdölarbeiter zu dem landesweiten politischen Generalstreik vor dem bewaffneten Aufstand. Arbeiterinnen und Arbeiter aus allen Branchen schlossen sich dem politischen Generalstreik an.

Die Anhängerschaft des Schah-Regimes wurde wackelig und verunsichert. Viele Soldaten und Offiziere der unteren Rängen schlossen sich den aufständischen Massen an. Die Macht war eigentlich in der Hand von Arbeiter*Innen und Werktätigen. Die Presse befreite sich von der Zensur und des Ausnahmezustandes. Die Universitäten wurden wieder geöffnet und die Studierenden nahmen ihre organisierten Aktivitäten erneut auf. Die Bediensteten von Ministerien und sonstigen Behörden ordneten sich den Streikkomitees unter. Den Ministern wurde der Zugang zu den Ministerien verweigert. Überall wurden Straßenbarrikaden gebaut. Der politische Generalstreik und die Massenproteste haben alle objektiven und subjektiven Bedingungen für einen bewaffneten Aufstand als eine für die Arbeiterklasse spezifische Kampfform vorbereitet.

Ohne den politischen Generalstreik war es nicht möglich, das Schah-Regime in die Knie zu zwingen und die Bedingungen für den bewaffneten Aufstand zu schaffen.

Das ist eine der wichtigsten Lehren der vorherigen Revolution für die aktuelle Situation. In den vergangenen zwei Jahren gab es zahlreiche Streiks, Demonstrationen und andere Proteste. Im vergangenen November erlebten wir den Aufstand der Werktätigen. Das, was fehlt und die brutale Unterdrückung dieser Proteste ermöglicht, sind ökonomische und politische Generalstreiks der Arbeiterinnen und Arbeiter , vor allem landesweite politische Streiks. Diese große Schwäche der Bewegung, während die tiefgreifende politische Krise die ganze Gesellschaft umfasst und die objektiven Voraussetzungen für die Revolution vorhanden sind, verzögert den Ausbruch der Revolution.

Die dringende Hauptaufgabe der führenden und bewussten Teile der Arbeiterklasse besteht darin, die geheimen Streikkomitees mit dem Ziel der Errichtung von ökonomischen und politischen Streiks der Arbeiterinnen und Arbeiter, zu bilden. Jegliche Verzögerung vergrößert die Gefahren, die die Bewegung bedrohen.

Die Streikkomitees sind darüber hinaus auch deshalb sehr wichtig, weil sie die Bedingungen schaffen, damit die Arbeiterklasse ihre Hegemonie und Führungsrolle in der Bewegung erlangen kann. Außerdem da die iranische Arbeiterklasse über ihre unabhängigen Klassenorganisationen nicht verfügt, kann sie dadurch während der Streiks Organisationsformen finden, die Instrumente für die Erlangung der politischen Macht sind.

Die Entstehung der Streikkomitees schafft nicht nur die Voraussetzungen für die Kontrolle von Produktion und Distribution, sondern daraus entstehen die Räte. In der Tat stellen die Räte die entwickelte Form der Streikkomitees dar. Die Räte als Organe des Aufstandes und der Ausübung der politischen Macht, können als Massenorganisationen nur während des landesweiten politischen Streiks entstehen.

Nun stellt sich die Frage, warum trotz der entscheidenden Rolle der iranischen Arbeiterklasse bei politischen Generalstreiks während der Revolution von 1979 und dem Sturz des Schah-Regimes, die Revolution niedergeschlagen wurde?

Die entscheidende Frage jeder Revolution ist die Übernahme der politischen Macht. Welche Gesellschaftsklasse die politische Macht erlangt, entscheidet den Ausgang der Revolution. Schafft es die revolutionäre Klasse nicht, die politische Macht zu übernehmen, bleibt eine Niederlage der Revolution die einzige Option.

Trotz ihrer Rolle bei der Revolution von 1979 ergriff die Arbeiterklasse nicht die politische Macht. Der reaktionären Klasse mit religiösem Charakter gelang u. a. deshalb die Übernahme der politischen Macht, weil die Arbeiterklasse nicht als eine Klasse mit einer eigenen unabhängigen Politik an Revolution teilnahm. Sie beteiligte sich als eine formlose Masse ohne Klassenidentität an eine allgemeine Volksbewegung, die von der bürgerlichen Opposition geführt wurde. Statt die Bewegung zu führen, folgte sie der Bourgeoisie und der religiösen Reaktion. Aus dieser Sicht war die Niederlage der Revolution unausweichlich.

Die Arbeiterklasse verfügte nicht über ihre unabhängige Klassenorganisation und Klassenbewusstsein. Das Schah-Regime war nicht das einzige Hindernis dafür. Es hatte durch eine offene Diktatur und Unterdrückung die gesamte Gesellschaft in Unwissenheit und Unterwerfung gehalten. Außerdem war die Zusammensetzung der Arbeiterklasse ein wichtiger Faktor. Mit der Ausnahme der Erdölindustrie waren in den meisten anderen Branchen hauptsächlich Arbeitende beschäftigt, die in Folge der Landreform in die Städte gewandert waren, also Landbevölkerung, die vorwiegend religiös und unwissend waren. Das war ein wichtiger Grund, weshalb viele von ihnen einem Gauner und Betrüger wie Khomeini vertrauten.

Nach 40 Jahren verfügt die Arbeiterklasse über ein anderes Bewusstsein und Solidarität. Sie hat nun die Gelegenheit, ihre bisherigen Erfahrungen zu nutzen und für eine soziale Arbeiterrevolution und ihren Sieg zu kämpfen.

Artikel aus KAR Nummer 857, Organ der Organisation der Fadaian (Aghaliyat) erschienen am 03. Februar 2020