Das Feuer im Flüchtlingslager Moria auf Lesbos und die Frage von Flucht und Migration

Am Mittwoch den 09. September gegen 02:00 Uhr morgens wurden große Teile des Flüchtlingslagers Moria auf der griechischen Insel Lesbos durch einen Brand völlig zerstört. Die Bewohner*innen des Lagers flüchteten vor dem Feuer und wurden obdachlos. Die Bedingungen in diesem Lager, das für die Aufnahme von ca. 3000 Geflüchtete ausgelegt war und in dem mittlerweile 13000 Menschen eingesperrt waren, war immer menschenunwürdig und katastrophal. Durch den Ausbruch der Corona-Pandemie und das Auftreten von ersten Infektionsfällen, weshalb das Lager unter Quarantäne gestellt wurde, wurde diese Notlage weiter verschärft.

NGOs und Flüchtlingshilfsorganisationen weisen immer wieder auf diese katastrophale und menschenunwürdige Notlage hin und verlangen, dass die Geflüchtete und Migrant*innen (das sind ca. 42000 Menschen in Camps auf Lesbos) evakuiert und unter den aufnahmewilligen europäischen Ländern verteilt werden. Durch die Initiativen wie „sichere Häfen“ haben sich viele Städte und Kommunen zur Aufnahme von Geflüchteten und Migrant*innen bereit erklärt. Das Ergebnis dieser Anstrengungen ist bislang die Aufnahme weniger unbegleiteter Kinder und Jugendliche u.a. durch die Bundesrepublik Deutschland gewesen.

Die Entwicklung und das Erstarken rechtsextremer und neofaschistischer Parteien und Gruppierungen in den vergangenen Jahren in fast allen europäischen Ländern, hat die Bedingungen, gesetzliche Bestimmungen und generell die Bereitschaft zur Aufnahme von Geflüchteten drastisch erschwert. Unter dem Deckmantel „Schutz der europäischen Außengrenzen“ wurden einige Abkommen mit faschistoiden Regimes wie Erdogans Regierung bzw. den in Libyen herrschenden kriminellen Banden unterzeichnet. Zur Abschreckung wurde das Lager Moria in diesem Zustand aufrechterhalten, damit weniger Geflüchtete nach Europa kommen.

Aktuell hat sich die EU für die Evakuierung und die Aufnahme von ca. 400 unbegleiteten Kindern und Jugendlichen bereit erklärt. Das Lager soll evtl. wiederaufgebaut werden und der Status quo soll so lange aufrechterhalten werden, bis sich die EU auf eine einheitliche Linie in Fragen von Flucht und Migration (aus ehemaligen europäischen Kolonien) geeinigt hat!

Wie erwartet schweigen alle Verantwortlichen der EU über die eigentliche zentrale Frage und zwar der Evakuierung und die Verteilung der ca. 42000 Menschen, die in den Camps auf Lesbos untergebracht sind.

Die Folgen des Kolonialismus, die Ausplünderung der Ressourcen und Reichtümer vieler unterentwickelter Länder, insbesondere in Afrika, regionale Kriege, die erst durch Waffenlieferungen durch den globalen Norden ermöglicht werden, repressive und blutrünstige Regimes, die Unterdrückung und Verfolgung von Menschen aufgrund ihrer Überzeugung, ihrer ethnischen Zugehörigkeit, ihres Geschlechtes, Naturkatastrophen und Klimawandel …. haben dazu geführt, dass stets Millionen Menschen auf der Flucht sind. Das Fehlen von Gesetzen und der Möglichkeit einer legalen Migration führen viele Menschen aus den ehemaligen Kolonien über dieselben Routen, über die während der ursprünglichen Akkumulation und des Kolonialismus ihre Ressourcen und Reichtümer zu den Kolonialmächten kamen, nach globalen Norden. Im globalen Norden werden sie als „Wirtschaftsflüchtlinge“ beschimpft. Gerne wird vergessen, dass es diesen Menschen ums Überleben geht. Außerdem wird verschwiegen, dass es immer noch auf ökonomischer Ebene neokoloniale Beziehungen zwischen den Heimatländern der Migrant*innen und ehemaligen Kolonialmächten existieren.

Raub, Krieg und Massenmord als Merkmale der kapitalistischen Ordnung, die einer der Hauptgründe für Flucht und Migration ist, werden durch die Erfindung von Begriffen wie „Asyltourismus“ und „Flüchtlingskrise“ und dem Einsatz von Instrumenten wie Rassismus und Neofaschismus verdeckt.

Das Auslandskomitee der Organisation der Fadaian (Aghaliyat) fordert die sofortige Evakuierung und Verteilung von Geflüchteten und Migrant*innen, die in den Flüchtlingslagern in Griechenland und anderen Ländern wie Italien, Malta und Spanien leben. Wir wollen nicht akzeptieren, dass tagtäglich Menschen auf der Flucht im Mittelmeer ertrinken, wir wollen nicht hinnehmen, dass durch die Änderung bzw. Verschärfung des Seerechtes die NGOs und andere Hilfsorganisationen daran gehindert werden, den Schutzsuchenden zu helfen, wir wollen nicht akzeptieren, dass sich immer wieder aufgrund europäischer Gesetze Länder wie Italien, Malta oder Spanien tagelang weigern können, gerettete Geflüchtete aufzunehmen.

Wir wollen diese menschenunwürdige Situation beenden, die das Ergebnis der Politik der europäischen Regierungen im Umgang mit dem Thema Flucht, Migration und Aufnahme von Geflüchteten und der Verschärfung der Einwanderungsgesetze in Europa ist.

Sofortige und bedingungslose Evakuierung und Verteilung von Geflüchteten aus Lagern auf Lesbos!

Für uneingeschränktes Recht auf Asyl!

Auslandskomitee der Organisation der Fadaian (Aghaliyat)

11 September 2020